Böhmermann-Affäre
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Jan Böhmermann ist mit seinem "Schmähgedicht" über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ein großer Erfolg gelungen. Er hat es geschafft, dass die Leute nicht mehr über Erdogan reden, sondern wieder über Böhmermann. Und wenn jetzt alle wieder diskutieren, was Satire darf oder dürfen muss oder dürfen müssen sollte und was die Mindeststandards sein mögen, die im ZDF für die "Qualität von Satiresendungen" gelten, frage ich mich, was denn überhaupt dafür spricht, dass es sich bei dem inzwischen gelöschten Beitrag aus dem "Neo Magazin Royale" dieser Woche um Satire handelte. Es geht mir nicht um eine große theoretisch oder historisch fundierte Diskussion dieser Humorgattung und ihrer Grenzen, aber vielleicht können wir uns auf ein schlichtes notwendiges Kriterium einigen: Satire sagt etwas über den Gegenstand aus, mit dem sie sich kritisch beschäftigt. Das tut Böhmermanns "Schmähgedicht" nicht, das versucht es auch gar nicht. Es unterstellt Erdogan einfach alles, was abstoßend, eklig, pervers, verabscheuenswürdig ist (oder von ihm und seinen Anhängern so empfunden werden dürfte), und es geht dabei sichtlich nicht darum, dass die Behauptungen stimmen oder wenigstens einen wahren Kern haben, der ins Groteske übertrieben wurden.
Wenn er, wie im Fall des Erdogan-Gedichtes, als bloßer Komiker agiert, aber als Satiriker interpretiert wird, ist es ein Missverständnis, von dem er profitiert. Böhmermann hat es also geschafft, dass alle wieder über ihn reden und nicht mehr über Erdogan, und dazu kann man ihm natürlich gratulieren. Selbst das Timing war perfekt, mit der dem Datum geschuldeten Möglichkeit, dass es sich bei der Löschung durch das ZDF (die von bestürzend vielen Leuten als "Zensur" bezeichnet wird) nur um einen Aprilscherz handelte. Nur den Gefallen, ihn für einen heldenhaften Einsatz für die Meinungsfreiheit zu feiern und die Aktion als politische Satire zu werten anstatt als cleveres Aufmerksamkeitsmanagement, den müsste man ihm vielleicht nicht tun, egal wie sehr er darum bettelt.
D er Bundestag diskutiert am Mittag über die Abschaffung des "Majestätsbeleidigungsparagrafen", die Positionen werden vorgetragen. Die SPD ist für eine schnelle Abschaffung, die Union dagegen. Um kurz nach 12 Uhr tritt der CDU-Abgeordnete Detlef Seif an das Rednerpult. Seif spricht zwei Minuten, da sagt er, der Inhalt des Gedichtes sei vielen gar nicht bekannt. "Ich lese Ihnen das mal vor, damit man weiß, was ist da eigentlich gesagt worden", so Seif, zückt sein Handy und trägt das Gedicht vor. "Anzeige", ruft ein Abgeordneter in den Vortrag hinein, "unglaublich". Hintergrund ist der Fall des TV-Satirikers Jan Böhmermann. Dieser hatte in einem Schmähgedicht den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan attackiert – auch unter der Gürtellinie. Erdogan beantragte daraufhin die Strafverfolgung Böhmermanns, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen den Widerstand der SPD auch billigte. Zugleich erklärte sich Merkel zur Abschaffung des Paragrafen 103 bereit, allerdings erst von 2018 an.
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Am Ende der Gedichtrezitation gibt Seif seine Einordnung: "Da brauche ich nicht länger nachzudenken. da werden Ressentiments bedient", sagt er. Eine Person werde in ihrer Ehre gekränkt. Darauf folgt eine rechtspolitische Rede über den Sinn und Unsinn der Abschaffung des Paragrafen, über die Bedeutung für die internationale Diplomatie. Fraktionskollegen wie die Staatssekretärin Dorothee Bär twittern anschließend, es habe sich um eine "Sternstunde des Parlamentarismus" gehandelt. Jan Böhmermann meldet sich selbst, er wolle Strafanzeige erstatten, fordert die Aufhebung der Immunität von Seif. Seif hat auch die besonders derben und zotigen Passagen des Schmähgedichts von Böhmermann vollständig vorgelesen. Sie wurden damit auch im Fernsehen übertragen und dürften in den Bundestagsprotokollen nachlesbar sein. Seif wollte damit den Abgeordneten nach eigener Aussage die fragwürdige Qualität der Satire verdeutlichen. Die Grünen-Rechtsexpertin Renate Künast sagte an die Adresse Seifs, sie sei "sehr peinlich berührt für dieses Haus, dass Sie den Text verlesen haben".
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